Neuere politische und soziale Gedichte (1849/50)

Inhalt (Auswahl)

Erstes Heft. 1849
Meiner Frau zum Geburtstage
Requiescat!
Schwarz-Rot-Gold
Trotz alledem! (Variiert)
Die Toten an die Lebenden
Wien
Blum
Zweites Heft. 1851
Reveille
Abschiedswort der "Neuen Rheinischen Zeitung"
Meiner Frau zum Geburtstage
          Mit einer Erika

Die Heide, die bei uns zuland
allwärts ihr Grün vergeudet;
die Berg und Schlucht und Felsenwand
mit starren Büscheln kleidet;
die hoch und tief sich blicken läßt,
die bring ich dir zu deinem Fest
in schlichter irdner Scherbe.

Wo du und ich geboren sind,
da rauscht sie allerorten;
sie schüttelt sich im Morgenwind
vor deiner Wartburg Pforten;
sie spiegelt sich in Ilm und Saal,
und in der Unstrut goldnes Tal
herschaut sie vom Kyffhäuser.

Und auch bei mir mit hellem Schein
schmückt sie die Bergeshalde;
sie wallt um meinen Externstein
und rings im Lipp'schen Walde;
da summen Bienen um sie her,
und durch ihr rotes Blütenmeer
ausschlagend jagt der Senner.

Der alte Rhein, der Traubenkoch,
könnt ihrer wohl entbehren;
doch ward auch ihm die Heide noch
zu seinen andern Ehren.
wie oft an Forst- und Gründelbach
unter der Birke weh'ndern Dach
winkt' uns ihr schwellend Kissen?

Da bebt sie spät, da bebt sie früh,
da flammt sie durchs Gehölze;
da krönt die siebte Mühle sie
und auch die Silberschmelze;
da krönt sie Brunn und Felsenschlucht,
oh, möge dieser Scherbenhucht
an alles das dich mahnen!

Und dann - nicht wahr, seit alter Zeit
ist es der Brauch gewesen,
daß man aus Pfriemenkraut und Heid
gebunden hat den Besen?
Den Besen, der die Gassen kehrt
der wie ein Wetter niederfährt
wo Staub und Wust sich brüsten!

So sei dir denn auch noch vertraut
was junge Sagen künden:
bald wird aus niederm Heidekraut
sich selbst ein Besen binden,
ein ries'ger, der der Niedertracht
und Sklaverei ein Ende macht
in Deutschland und auf Erden!

Dann wird auch uns zur Wiederkehr
der Freiheit Glocke läuten;
dann wird uns keine Scherbe mehr
Heimat und Herd bedeuten;
dann - doch mir schlägt das Herz wie toll!
Rasch, gieß mir einen Tummler voll,
daß ich dich leben lasse!

Brüssel, Dezember 1844

Requiescat!

Wer den wucht'gen Hammer schwingt;
wer im Felde mäht die Ähren;
wer ins Mark der Erde dringt,
Weib und Kinder zu ernähren;
wer stroman den Nachen zieht;
wer bei Woll und Werg und Flachse
hinterm Webestuhl sich müht,
daß sein blonder Junge wachse -

Jedem Ehre, jedem Preis!
Ehre jeder Hand voll Schwielen!
Ehre jedem Tropfen Schweiß,
der in Hütten fällt und Mühlen!
Ehre jeder nassen Stirn
hinterm Pfluge! - Doch auch dessen,
der mit Schädel und mit Hirn
hungernd pflügt, sei nicht vergessen!

Ob in enger Bücherei
Dunst und Moder ihn umstäube;
ob er Sklav der Messe sei,
Lieder oder Dramen schreibe;
ob er um verruchten Lohn
fremden Ungeschmack vertiere;
ob er in gelehrter Fron
Griechisch und Latein doziere -

Er ist auch ein Proletar!
Ihm auch heißt es: ,Darbe! borge!"
Ihm auch bleicht das dunkle Haar,
ihn auch hetzt ins Grab die Sorge!
Mit dem Zwange, mit der Not
wie die andern muß er ringen,
und der Kinder Schrei nach Brot
lähmt auch ihm die freien Schwingen!

Manchen hab ich so gekannt!
Nach den Wolken flog sein Streben -
tief im Staube von der Hand
in den Mund doch mußt er leben!
Eingepfercht und eingedornt,
ächzt' er zwischen Tür und Angel;
der Bedarf hat ihn gespornt,
und gepeitscht hat ihn der Mangel.

Also schrieb er Blatt auf Blatt,
bleich und mit verhärmten Wangen,
während draußen Blum und Blatt
sich im Morgenwinde schwangen.
Nachtigall und Drossel schlug,
Lerche sang und Habicht kreiste -
er hing über seinem Buch,
Tagelöhner mit dem Geiste!

Dennoch, ob sein Herz auch schrie,
blieb er tapfer, blieb ergeben:
"Dieses auch ist Poesie,
denn es ist das Menschenleben!"
Und wenn gar der Mut ihm sank,
hielt er fest sich an dem einen:
"Meine Ehre wahrt ich blank!
Was ich tu, ist für die Meinen!"

Endlich ließ ihn doch die Kraft!
Aus sein Ringen, aus sein Schaffen
Nur zuweilen, fieberhaft,
konnt er noch empor sich raffen!
Nachts oft von der Muse Kuß
fühlt' er seine Schläfen pochen;
frei dann flog der Genius,
den des Tages Drang gebrochen!

Lang jetzt ruht er unterm Rain,
drauf im Gras die Winde wühlen;
ohne Kreuz und ohne Stein
schläft er aus auf seinen Pfühlen.
Rotgeweinten Angesichts
irrt sein Weib und irrt sein Samen -
Bettlerkinder erben nichts
als des Vaters reinen Namen!

Ruhm und Ehre jedem Fleiß!
Ehre jeder Hand voll Schwielen!
Ehre jedem Tropfen Schweiß,
der in Hütten fällt und Mühlen!
Ehre jeder nassen Stirn
hinterm Pfluge! - doch auch dessen,
der mit Schädel und mit Hirn
hungernd pflügt, sei nicht vergessen!

Zürich, Februar 1846

 

Schwarz-Rot-Gold

In Kümmernis und Dunkelheit,
da mußten wir sie bergen!
Nun haben wir sie doch befreit,
befreit aus ihren Särgen!
Ha, wie das blitzt und rauscht und rollt!
Hurra, du Schwarz, du Rot, du Gold!

Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
golden flackert die Flamme!

 

Das ist das alte Reichspanier,
das sind die alten Farben!
Darunter haun und holen wir
uns bald wohl junge Narben!
Denn erst der Anfang ist gemacht,
noch steht bevor die letzte Schlacht!

Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
golden flackert die Flamme!

 

Ja, die das Banner ihr gestickt,
ihr Jungfern unverdrossen,
derweil am Feuer wir gebückt
uns Flintenkugeln gossen:
nicht, wo man singt nur oder tanzt,
geschwungen sei's und aufgepflanzt! -

Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
golden flackert die Flamme!

 

Denn das ist noch die Freiheit nicht,
die Deutschland muß begnaden,
wenn eine Stadt in Waffen spricht
und hinter Barrikaden:
"Kurfürst, verleih! Sonst - hüte dich! -
sonst werden wir großherzoglich!"

Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
golden flackert die Flamme!

Das ist noch lang die Freiheit nicht,
die ungeteilte, ganze,
wenn man ein Zeughaustor erbricht,
und Schwert sich nimmt und Lanze;
sodann ein weniges sie schwingt und -
folgsamlich zurück sie bringt!

Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
golden flackert die Flamme!

Das ist noch lang die Freiheit nicht,
wenn ihr an Brockhaus' Glase
ausübt ein klirrend Strafgericht
ob einer Dresdner Nase!
Was liegt euch an dem Sosius?
Drauf - in die Hofburg Stein und Schuß!

Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
golden flackert die Flamme!

Das ist noch lang die Freiheit nicht,
wenn man, statt mit Patronen,
mit keiner andern Waffe ficht
als mit Petitionen!
Du lieber Gott: Petitioniert!
Parlamentiert, illuminiert!

Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
golden flackert die Flamme!

Das ist noch lang die Freiheit nicht,
sein Recht als Gnade nehmen
von Buben, die zu Recht und Pflicht
aus Furcht nur sich bequemen!
Auch nicht: daß, die ihr gründlich haßt,
ihr dennoch auf den Thronen laßt!

Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
golden flackert die Flamme!

Die Freiheit ist die Nation,
ist aller gleich Gebieten!
Die Freiheit ist die Auktion
von dreißig Fürstenhüten!
Die Freiheit ist die Republik!
Und abermals: die Republik!

Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
golden flackert die Flamme!

Die eine deutsche Republik,
die mußt du noch erfliegen!
Mußt jeden Strick und Galgenstrick
dreifarbig noch besiegen!
Das ist der große letzte Strauß -
Flieg aus, du deutsch Panier, flieg aus!

Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
golden flackert die Flamme!

Zum Kampfe denn, zum Kampfe jetzt!
Der Kampf nur gibt dir Weihe!
Und kehrst du rauchig und zerfetzt,
so stickt man dich aufs neue!
Nicht wahr, ihr deutschen Jungfräulein?
Hurra, das wird ein Sticken sein!

Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
golden flackert die Flamme!

Und der das Lied für euch erfand
in einer dieser Nächte,
der wollte, daß ein Musikant
es bald in Noten brächte!
Heißt das: ein rechter Musikant!
Dann kläng es hell durchs deutsche Land:

Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
golden flackert die Flamme!

London, 17. März 1848

 

Trotz alledem!
Variiert

Das war ´ne heiße Märzenzeit,
trotz Regen, Schnee und alledem!
Nun aber, da es Blüten schneit,
nun ist es kalt, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem -
trotz Wien, Berlin und alledem -
ein schnöder, scharfer Winterwind
durchfröstelt uns trotz alledem!

Das ist der Wind der Reaktion
mit Mehltau, Reif und alledem!
Das ist die Bourgeoisie am Thron -
der annoch steht, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
trotz Blutschuld, Trug und alledem -
er steht noch und er hudelt uns
wie früher fast, trotz alledem!

Die Waffen, die der Sieg uns gab,
der Sieg des Rechts trotz alledem,
die nimmt man sacht uns wieder ab,
samt Kraut und Lot und alledem!
Trotz alledem und alledem,
trotz Parlament und alledem -
wir werden unsre Büchsen los,
Soldatenwild trotz alledem!

Doch sind wir frisch und wohlgemut
und zagen nicht trotz alledem!
In tiefer Brust des Zornes Glut,
die hält uns warm trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
es gilt uns gleich trotz alledem!
Wir schütteln uns: Ein garst'ger Wind,
doch weiter nichts trotz alledem!

Denn ob der Reichstag sich blamiert
professorhaft trotz alledem!
Und ob der Teufel reagiert
mit Huf und Horn und alledem -
Trotz alledem und alledem,
trotz Dummheit, List und alledem,
wir wissen doch: die Menschlichkeit
behält den Sieg trotz alledem!

Und ob der Prinz zurück auch kehrt
mit Hurra hoch und alledem -
sein Schwert ist ein gebrochen Schwert,
ein ehrlos Schwert trotz alledem!
Ja doch: trotz all- und alledem,
der Meinung Acht, trotz alledem,
die brach den Degen ihm entzwei
vor Gott und Welt und alledem!

So füllt denn nur der Mörser Schlund
mit Eisen, Blei und alledem:
Wir halten aus auf unserm Grund,
wir wanken nicht trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
und macht ihr's gar, trotz alledem,
wie zu Neapel jener Schuft:
Das hilft erst recht, trotz alledem!

Nur, was zerfällt, vertretet ihr!
Seid Kasten nur, trotz alledem!
Wir sind das Volk, die Menschheit wir
sind ewig drum, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem:
So kommt denn an, trotz alledem!
Ihr hemmt uns, doch ihr zwingt uns nicht!
Unser die Welt, trotz alledem!

Düsseldorf, Anfang Juni 1848

 

Die Toten an die Lebenden

Die Kugel mitten in der Brust, die Stirne breit gespalten,
so habt ihr uns auf blut'gem Brett hoch in die Luft gehalten!
Hoch in die Luft mit wildem Schrei, daß unsre Schmerzgebärde
dem, der zu töten uns befahl, ein Fluch auf ewig werde!
Daß er sie sehe Tag und Nacht, im Wachen und im Traume -
im Öffnen seines Bibelbuchs wie im Champagnerschaume!
Daß wie ein Brandmal sie sich tief in seine Seele brenne;
daß nirgendwo und nimmermehr er vor ihr fliehen könne!
Daß jeder qualverzogne Mund, daß jede rote Wunde
ihn schrecke hoch, ihn ängste noch in seiner letzten Stunde!
Daß jedes Schluchzen um uns her dem Sterbenden noch schalle,
daß jede tote Faust sich noch nach seinem Haupte balle -
Mög er das Haupt nun auf ein Bett, wie andre Leute pflegen,
mög er es auf ein Blutgerüst zum letzten Atmen legen!

So war's! Die Kugel in der Brust, die Stirne breit gespalten,
so habt ihr uns auf schwankem Brett auf zum Altan gehalten!
,,Herunter!" - und er kam gewankt - gewankt an unser Bette;
,,Hut ab!" - er zog - er neigte sich! (so sank zur Marionette,
der erst ein Komödiante war!) - bleich stand er und beklommen!
Das Heer indes verließ die Stadt, die sterbend wir genommen!
Dann ,,Jesus meine Zuversicht!" wie ihr's im Buch könnt lesen:
Ein ,,Eisen meine Zuversicht" wär päßlicher gewesen!

Das war den Morgen auf die Nacht, in der man uns erschlagen;
so habt ihr triumphierend uns in unsre Gruft getragen!
Und wir - wohl war der Schädel uns zerschossen und zerhauen,
doch lag des Sieges froher Stolz auf unsern grimmen Brauen.
Wir dachten: Hoch zwar ist der Preis, doch echt auch ist die Ware!
Und legten uns in Frieden drum zurecht auf unsrer Bahre.
Weh euch, wir haben uns getäuscht! Vier Monden erst vergangen,
und alles feig durch euch verscherzt, was trotzig wir errangen!
Was unser Tod euch zugewandt, verlottert und verloren -
Oh, alles, alles hörten wir mit leisen Geisterohren!
Wie Wellen braust' an uns heran, was sich begab im Lande:
Der Aberwitz des Dänenkriegs, die letzte Polenschande;
das rüde Toben der Vendée in stockigen Provinzen;
der Soldateska Wiederkehr, die Wiederkehr des Prinzen;
die Schmach zu Mainz, die Schmach zu Trier, das Hänseln, das Entwaffnen
allüberall der Bürgerweht, der eben erst geschaffnen;
die Tücke, die den Zeughaussturm zu einem Diebszug machte,
die selber uns, die selbst das Grab noch zu begeifern dachte;
so weit es Barrikaden gab, der Druck auf Schrift und Rede;
mit der Versammlung freiem Recht die täglich frechre Fehde;
der Kerkertore dumpf Geknarr im Norden und im Süden;
für jeden, der zum Volke steht, das alte Kettenschmieden;
der Bund mit dem Kosakentum; das Brechen jedes Stabes,
ach, über euch, die wert ihr seid des lorbeerreichsten Grabes:
Ihr von des Zukunftsdranges Sturm am weitesten Getragnen!
Ihr Juni-Kämpfer von Paris! Ihr siegenden Geschlagnen!
Dann der Verrat, hier und am Main im Taglohn unterhalten -
0 Volk, und inmer Friede nur in deines Schurzfells Falten?
Sag an, birgt es nicht auch den Krieg? Den Krieg herausgeschüttelt!
Den zweiten Krieg, den letzten Krieg mit allem was dich büttelt!
Laß deinen Ruf: ,,Die Republik!" die Glocken überdröhnen,
die diesem allerneuesten Johannesschwindel tönen!

Umsonst! Es täte not, daß ihr uns aus der Erde grübet
und wiederum auf blutgem Brett hoch in die Luft erhübet!
Nicht, jenem abgetanen Mann, wie damals, uns zu zeigen -
nein, zu den Zelten, auf den Markt, ins Land mit uns zu steigen!
Hinaus ins Land, soweit es reicht! Und dann die Insurgenten
auf ihren Bahren hingestellt in beiden Parlamenten!
O ernste Schau! Da lägen wir, im Haupthaar Erd und Gräser,
das Antlitz fleckig, halbverwest - die rechten Reichsverweser!
Da lägen wir und sagten aus: Eh wir verfaulen konnten,
ist eure Freiheit schon verfault, ihr trefflichen Archonten!
Schon fiel das Korn, das keimend stand, als wir im Märze starben;
der Freiheit Märzsaat ward gemäht noch vor den andern Garben!
Ein Mohn im Felde hier und dort entging der Sense Hieben -
Oh, wär der Grimm, der rote Grimm, im Lande so geblieben!
Und doch, er blieb! Es ist ein Trost im Schelten uns gekommen:
Zuviel schon hattet ihr erreicht, zuviel ward euch genommen!
Zuviel des Hohns, zuviel der Schmach wird täglich euch geboten:
Euch muß der Grimm geblieben sein - oh, glaubt es uns, den Toten!
Er blieb euch! Ja, und er erwacht! Er wird und muß erwachen!
Die halbe Revolution zur ganzen wird er machen!
Er wartet nur des Augenblicks: dann springt er auf allmächtig;
gehobnen Armes, wehnden Haars dasteht er wild und prächtig!
Die rostge Büchse legt er an, mit Fensterblei geladen:
Die rote Fahne läßt er wehn hoch auf den Barrikaden!
Sie fliegt voran der Bürgerweht, sie fliegt voran dem Heere -
Die Throne gehn in Flammen auf, die Fürsten fliehn zum Meere!
Die Adler fliehn; die Löwen fliehn; die Klauen und die Zähne! -
Und seine Zukunft bildet selbst das Volk, das souveräne!

Indessen, bis die Stunde schlägt, hat dieses unser Grollen
euch, die ihr vieles schon versäumt, das Herz ergreifen wollen!
Oh, steht gerüstet! Seid bereit! Oh, schaffet, daß die Erde,
darin wir liegen strack und starr, ganz eine freie werde!
Daß fürder der Gedanke nicht uns stören kann im Schlafen:
Sie waren frei: doch wieder jetzt - und ewig - sind sie Sklaven!

Düsseldorf, Juli 1848

 

Wien

Wenn wir noch knien könnten, wir lägen auf den Knien;
wenn wir noch beten könnten, wir beteten für Wien!
Doch lange schon verlernten wir Kniefall und Gebet -
Der Mann ist uns der beste, der grad und aufrecht steht!
Die Hand ist uns die liebste, die Schwert und Lanze schwingt!
Der Mund ist uns der frommste' der Schlachtgesänge singt!
Wozu noch bittend winseln? Ihr Männer, ins Gewehr -
Heut ballt man nur die Hände, man faltet sie nicht mehr!
Es ist das Händefalten ein abgenutzt Geschäft -
Die linke an die Scheide, die rechte Hand ans Heft!
Die linke an die Gurgel dem Sklaven und dem Schuft,
die rechte mit der Klinge ausholend in der Luft!
Ein riesig Schilderheben, ein Ringen wild und kühn -
Das ist zur Weltgeschichte das rechte Flehn für Wien!

Ja, Deutschland, ein Erheben! Ja, Deutschland, eine Tat!
Nicht, wo im roten Dolman einhersprengt der Kroat' nicht,
wo vom Huf der Rosse das Donauufer bebt,
nicht, wo vom Stephansturme der weiße Rauch sich hebt,
nicht, wo aus Sklavenmörsern die Brandraketen sprühn -
nicht dorthin, ernster Norden, gewaffnet sollst du ziehn!
Nicht dorthin sollst du pilgern zur Hilfe, zum Entsatz -
allwärts' um Wien zu retten, stehst du an deinem Platz!
Räum auf im eignen Hause! Räum auf und halte Stich -
den Jellachich zu jagen, wirf deinen Jellachich!
Ein dreister Schlag im Norden ist auch im Süd ein Schlag;
mach fallen unser Olmütz, und Olmütz rasselt nach!

Der Herbst ist angebrochen, der kalte Winter naht –
0 Deutschland, ein Erheben! 0 Deutschland, eine Tat!
Die Eisenbahnen pfeifen, es zuckt der Telegraph -
Du aber bleibst gelassen, du aber bleibst im Schlaf!
Beim Todeskampf der Riesin dastehst du wie von Stein -
alles, wozu du dich ermannst' ein kläglich Bravoschrein!

Köln, 3. November 1848

 

Blum

Vor zweiundvierzig Jahren war's, da hat mit Macht geschrien
ein siebentägig Kölner Kind auf seiner Mutter Knien;
ein Kind mit breiter, offner Stirn, ein Kind von heller Lunge,
ein prächtig Proletarierkind, ein derber Küferjunge.
Er schrie, daß in der Werkstatt rings des Vaters Tonnen hallten;
die Mutter hat mit Lächeln ihn an ihre Brust gehalten;
an ihrer Brust, auf ihrem Arm hat sie ihn eingesungen:
Es ist zu Köln das Wiegenlied des Knaben hell erklungen.

Und heut in diesem selben Köln zum Wehn des Winterwindes
und zu der Orgel Brausen schallt das Grablied dieses Kindes.
Nicht singt die Uberlebende, die Mutter, es dem Sohne:
Das ganze schmerzbewegte Köln singt es mit festem Tone.
Es spricht: Du, deren Schoß ihn trug, bleib still auf deiner Kammer!
Vor deinem Gott, du graues Haupt, ausströme deinen Jammer!
Auch ich bin seine Mutter, Weib! Ich und noch eine Hohe -
ich und die Revolution, die grimme, lichterlohe!
Bleib du daheim mit deinem Schmerz! Wir wahren seine Ehre -
Des Robert Requiem singt Köln, das revolutionäre!

So redet Köln! Und Orgelsturm entquillt dem Kirchenchore,
es stehn die Säulen des Altars umhüllt mit Trauerflore,
die Kerzen werfen matten Schein, die Weihrauchwolken ziehen,
und tausend Augen werden naß bei Neukomms Melodien.
So ehrt die treue Vaterstadt des Tonnenbinders Knaben -
ihn, den die Schergen der Gewalt zu Wien gemordet haben!
Ihn, der sich seinen Lebensweg, den steilen und den rauhen,
auf bis zu Frankfurts Parlament mit starker Hand gehauen!
(Dort auch, was er allstündlich war, ein Wackrer, kein Verräter!) -
Was greift ihr zu den Schwertern nicht, ihr Singer und ihr Beter?
Was werdet ihr Posaunen nicht, ihr ehrnen Orgeltuben,
den jüngsten Tag ins Ohr zu schrein den Henkern und den Buben?
Den Henkern, die ihn hingestreckt auf der Brigittenaue -
Auf festen Knien lag er da im ersten Morgentaue!
Dann sank er hin - hin in sein Blut - lautlos! - heut vor acht Tagen!
Zwei Kugeln haben ihm die Brust, eine das Haupt zerschlagen!

Ja, ruhig hat man ihn gemacht: Er liegt in seiner Truhe!
So schall ihm denn ein Requiem, ein Lied der ew'gen Ruhe!
Ruh ihm, der uns die Unruh hat als Erbteil hinterlassen -
Mir, als ich heut im Tempel stand in den bewegten Massen,
mir war's, als hört ich durch den Sturm der Töne ein Geraune:
Du, rechte mit der Stunde nicht! Die Orgel wird Posaune!
Es werden, die du singen siehst, das Schwert in Händen tragen –
denn nichts als Kampf und wieder Kampf entringt sich diesen Tagen!
Ein Requiem ist Rache nicht, ein Requiem nicht Sühne -
bald aber steht die Rächerin auf schwarzbehangner Bühne!
Die dunkelrote Rächerin! Mit Blut bespritzt und Zähren,
wird sie und soll und muß sie sich in Permanenz erklären!
Dann wird ein ander Requiem den toten Opfern klingen -
Du rufst sie nicht, die Rächerin, doch wird die Zeit sie bringen!
Der andern Greuel rufen sie! So wird es sich vollenden -
Weh allen, denen schuldlos Blut klebt an den Henkerhänden!

Vor zweiundvierzig Jahren war's, da hat mit Macht geschrien
ein siebentägig Kölner Kind auf seiner Mutter Knien!
Acht Tage sind's, da lag zu Wien ein blut'ger Mann im Sande –
Heut scholl ihm Neukomms Requiem zu Köln am Rheinesstrande.

Köln, 16. November 1848

Reveille
Für die Revolutionsfeier auf dem Gürzenich zu Köln, 19. März 1848

Frisch auf zur Weise von Marseille,
frisch auf ein Lied mit hellem Ton!
Singt es hinaus als die
der neuen Revolution!
Der neuen Revolution!
Der neuen, die mit Schwert und Lanze
die letzte Fessel bald zerbricht -
Der alten, halben singt es nicht!
Uns gilt die neue nur, die ganze!

Die neue Rebellion!
Die ganze Rebellion!
Marsch, Marsch!
Marsch, Marsch!
Marsch - wär's zum Tod!
Und unsre Fahn ist rot! (bis]

Der Sommer reift des Frühlings Saaten,
drum folgt der Juni auf den März.
O Juni, komm und bring uns Taten!
Nach frischen Taten lechzt das Herz!
Nach frischen Taten lechzt das Herz!
Laß deine Wolken schwarz sich ballen,
bring uns Gewitter Schlag auf Schlag!
Laß in die ungesühnte Schmach
der Rache Donnerkeile fallen!

Die neue Rebellion!
Die ganze Rebellion!
Marsch, Marsch!
Marsch, Marsch!
Marsch - wär's zum Tod!
Und unsre Fahn ist rot! (bis)

An unsre Brust, an unsre Lippen,
der Menschheit Farbe, heil'ges Rot!
Wild schlägt das Herz uns an die Rippen -
Fort in den Kampf! Sieg oder Tod!
Fort in den Kampf! Sieg oder Tod!
Hurra, sie sucht des Feindes Degen!
Hurra, die ew'ge Fahne wallt!
Selbst aus der Wunden breitem Spalt
springt sie verachtend ihm entgegen!

Die neue Rebellion!
Die ganze Rebellion!
Marsch, Marsch!
Marsch, Marsch!
Marsch - wär's zum Tod!
Und unsre Fahn ist rot! (bis)

Abschiedswort der "Neuen Rheinischen Zeitung"
19. Mai 1849

Kein offner Hieb in oftner Schlacht -
Es fällen die Nücken und Tücken,
Es fällt mich die schleichende Niedertracht
Der schmutzigen West-Kalmücken!
Aus dem Dunkel flog der tötende Schaft,
Aus dem Hinterhalt fielen die Streiche -
Und so lieg ich nun da in meiner Kraft,
Eine stolze Rebellenleiche!

Auf der Lippe den Trotz und den zuckenden Hohn
In der Hand den blitzenden Degen,
Noch im Sterben rufend: "Die Rebellion"! -
So bin ich mit Ehren erlegen.
Oh, gern wohl bestreuten mein Grab mit Salz
Der Preuße zusamt dem Zare -
Doch es schicken die Ungarn, es schickt die Pfalz
Drei Salven mir über die Bahre!

Und der arme Mann im zerrißnen Gewand,
Er wirft auf mein Haupt die Schollen!
Er wirft sie hinab mit der fleißigen Hand,
Mit der harten, der schwielenvollen.
Einen Kranz auch bringt er aus Blumen und Mai'n,
Zu ruhn auf meinen Wunden;
Den haben sein Weib und sein Töchterlein
Nach der Arbeit für mich gewunden.

Nun ade, nun ade, du kämpfende Welt,
Nun ade, ihr ringenden Heere!
Nun ade, du pulvergeschwärztes Feld!
Nun ade, ihr Schwerter und Speere!
Nun ade - doch nicht für immer ade!
Wenn die letzte Krone wie Glas zerbricht,
In des Kampfes Wettern und Flammen,
Wenn das Volk sein letztes "schuldig!" spricht,
Dann stehn wir wieder zusammen!
Mit dem Wort, mit dem Schwert, an da der Donau, am Rhein -
Eine allzeit treue Gesellin
Wird dem thronezerschmetternden Volk
Die Geächtete, die Rebellin!

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