II.  

´S ist ein Bestreben, herb und mühevoll, 
Das brennende Wort zu halten in den Schranken, 
Und in der Seele dunkler Urne Groll 
Und Zorn zu häufen - selber den Gedanken 
Zu einem Schatze machend, der nur dann 
Mit kühnem Spruch gehoben werden kann. 
Wenn Nacht und Schlaf und Schatten niedersanken 
Ich trug es nicht! - 

Felicia Hemans Das Waldheiligthum 

 


Guten Morgen! 

Stand ich oben auf der Eifel Kämmen,
Als der Vollmond durch die Wolken brach;
Breit und blendend sah ich überschwemmen
Seine Lichter See und Kloster Laach.

Leiser Windhauch wehte durch die Thale,
Laub und Rohr umflüsterten den Strand,
In der Fluth entreckte sich die schmale,
Jene schmale, weiße Nonnenhand.

Anzuschau'n wie eine Blum' von ferne,
Mit den Wellen flog sie auf und ab;
Rings gespiegelt schwamm das Heer der Sterne: -
Raffte sie's vom Himmel sich herab?

Winkt' und winkte mir die reine!
Wie sich schüttelnd rauscht' empor der See;
Durch die Waldung huschten eigne Scheine;
Über'n Kreuzweg sprang entsetzt das Reh.

War's die Hinde, die in ihren Thränen
Genofeven weiland sich gesellt? -
Ach, mich faßte schmerzlichsüßes Sehnen
Nach der sel'gen alten Märchenwelt!

Und beinahe jenem bleichen Finger
Wär' gefolgt ich durch ihr offnes Thor;
Doch erwachend, mit mir selbst ein Ringer,
Rafft' ich stark und muthig mich empor!

See und Kloster, Thürm' und Felsenspitzen,
Wald und Schlucht, wo Genofeva litt -
Einmal noch im Mondschein sah ich' blitzen,
Und dann wandt' ich herzhaft meinen Schritt!

Eilte fort auf waldbewachs'nen Wegen,
Drauf verwirrend noch der Mondschein lag;
Ging dem Morgen und dem Rhein entgegen,
Ging entgegen aus der Nacht dem Tag!

Ließ den Schatten dämmernder Gesichte
Jubelnd fahren für die Wirklichkeit! -
Sieh', und vor mir hell im Sonnenlichte
Zog der Rheinstrom, tief und grün und breit!

Zog der Rhein und rührte sich das Leben -
Ja, in's Leben riß mich dieser Strand!
Nicht erhob er; mir den Gruß zu geben,
Bleich und zitternd eine Todtenhand!

Doch den Handschlag bot er mir, den treuen,
Eines Volkes frank und unverstellt,
Das - in Ehrfurcht, aber ohne Scheuen! -
Für sein Recht den Fuß bei'm Male hält!

O, der bannte, was von Spuk und Sorgen
Nächtlich noch auf meinem Herzen lag!
Meinem Volke sagt' ich: „Guten Morgen!" -
Einst, so Gott will, sag' ich: „Guten Tag!"

Guten Morgen denn! - Frei werd' ich stehen
Für das Volk und mit ihm in der Zeit!
Mit dem Volke soll der Dichter gehen -
Also les' ich meinen Schiller heut!


Prinz Ludwig von Preußen.
Weise: Prinz Eugenius, der edle Ritter. 

   Wie er's in der Schlacht getrieben,
Wie bei Saalfeld er geblieben,
Soches wißt ihr allesammt!
Doch kein Teufel weiß jetzunder,
Wie sein Säbel, Gottes Wunder!
In die Zöpfe einst geflammt!

Aus uns laßt die Fahnen wehen!
Anno fünf ist es geschehen,
Anno fünf zu Altenburg!
Prinz Ludwig bei Spiel und Mahle
Saß allda bei Vogt im Saale,
Zechte flott die Herbstnacht durch.

That's mit hundert Officieren;
Trugen allzumal noch ihren
Wohlfrisirten Puderschopf;
Seitenlöcklein, wohlgebacken
Und gekleistert, und im Nacken
Sreif und starr den alten Zopf.

Gläser klirrten, Lieder schallten,
Die Chamagner-Pfropfen knallten -
Dreimal hoch das Hauptquartier!
Tafelmusik rauschte munter,
Meister Dussel mitten drunter
Dirigirte am Clavier.

Ist der Prinz emporgesprungen,
Hat er doch sein Dchwert geschwungen,
Zugelacht dem Freunde dann.
„Hackbrettschläger jetzt an's Hacken!
Hack' den Zopf mir aus dem Nacken!
Heute soll'n die Zöpfe dran!"

Meister Dussel nahm den Degen,
Thät den Zopf auf's Tischtuch legen,
Auf den Knien lag der Prinz:
Dussel hieb mit scharfem Streiche,
Auf der Tafel lag die Leiche -
Achtunddreißig Jahre sind's!

Tusch! Das fuhr durch alle Köpfe!
Laut scholl's: „Pereant die Zöpfe!"
Das war eine Wirthschaft heut!
Oberst, Capitän und Junker
Hieb sich ab den garst'gen Klunker -
Jeder Zopf ließ Haare heut!

Dieses in dem Preußenheere
War'n die ersten Zöpf', auf Ehre!
Die da abgeschnitten sein!
Zopflos in den lieben Himmel
Rückt' aus Saalfeld' Schlachtgetümmel
Ludwig Ferdinandus ein!

Noch im Dreispiz mit der Krempe,
In der Hand die blut'ge Plempe,
Kam er - doch der Zopf war ab!
Drob der alte Fritz erstaunte,
Und ihm eine gutgelaunte
Ohmeimliche Nase gab! -

Der Armeezopf liegt erstochen,
Jena's Zopf ist auch gerochen,
Doch manch andrer macht sich breit!
Wann zerfetzt und die ein Retter?
Ludwig schick' ein Donnerwetter
In die Zöpfe dieser Zeit!


Und noch einmal der Zopf!

Und noch einmal der Zopf! - Jenseits sogar der Meere
Hat er gewüthet einst im Indo-Britenheere,
Hat baumelnd er geführt sein haarig Regiment.
Was dort ein Rothrock war, trug auch den krummen, straffen;
Geschmeichelt sahen es am Gangesstrand die Affen -
Sie nahmen's für ein Compliment.

O, welch ein Staat das war an Sonn- und Feiertagen!
Da ward er feierlich und endlos erst getragen!
Da schmückt' er vollends erst der Krieger Scharlachkleid!
Im Sattel saßen sie, gradleibig wie die Puppen;
Er unterdessen lag ausruhend auf den Croupen
In sinniger Betrachtsamkeit.

Und war zu Ende nun die schimmernde Parade,
Dann sprangen Offizier und Fähndrich an's Gestade,
Dann gab's ein Rennen noch um eine Flache Port!
Dann band sich männiglich die angehängte Bürde
Des Zopfes ehrbar ab, hielt ihn mit Schick und Würde
Fest in der Hand, und schnalzte: „Fort!"

Und fort nach Willkür ging's! Der Zopf ja ward zur Gerte!
Der Zopf behielt den Sieg, wie sich das Roß auch sperrte!
Ein indo-britisch Spiel: - Weh, daß man es verdeutscht!
Daß man auch unter uns vom rückwärts schau'nden Kopfe
Den starren Unhold langt! - bei uns auch mit dem Zopfe
Ein edel Roß, das Volk zerpeitscht!


Der Königsstuhl bei Rhense.
Weise: In des Waldes düstern Gründen 

Neu gebaut beim alten Rhense
Steht der Wahlstuhl wiederum,
Aber Enten, ach! und Gänse
Weiden schnatternd drum herum.

Wo einst Wahlen hielt das Wahlreich
Und der Reichsaar trotzig schrie,
Dorten, feierlich und zahlreich,
Gras't nun zahmes Federvieh.

Ach! und aus den Weidenbüschen
Eilt kein Kurfürst muth'gen Schritts;
In den sieben hohen Nischen
Leer und öde jeder Sitz!

Dennoch freut es, ihn zu schauen,
Stattlich, wie er vormals stand,
Als aus nah' und fernen Gauen
Deutschland Boten ihm gesandt;

Als man Kampf berieth und Schlachten
Hier im offnen Steingemach,
Und geschickt mit selbstgemachten
Kön'gen spielte hohes Schach;

Als in's Banner schwarzrothgolden
Frisch und frei der Rheinwind blies;
Als man einen Trunkenbolden
Nach Verdienst vom Throne stieß.

Fauler Wenzel! Nimmer sehnen
Wir uns heut nach dir zurück!
Auch am Königsstuhl zu lehnen
Däucht uns kein besonder Glück!

Unterdessen, da bei Rhense
Er zu schaun ist wiederum,
Nehmen willig, trotz der Gänse,
Wir ihn als Augurium;

Als ein Zeichen, uns zum Frommen
Aufgericht't am Rheinesstrand:
Daß du wirst zu Stuhle kommen
Sonsten auch, o deutsches Land!


Dorfgeschichten.
An Berthold Auerbach 

Als Knabe schon von Berg- und Hüttenmännern
Hab´ ich entzückt ein Buch gelesen;
Es führte mich zu frommen Kohlenbrennern,
Und ist ein herzig'es kleines Buch gewesen,
Ein rechter Spiegel alter Bauerntugend; -
Mit Namen hieß es : Henrich Stilling's Jugend.

Das war die erste deutsche Dorfgeschichte!
Die hat mit Lied, mit Mährchen und mit Sage,
Die hat mit Einfalt und in edler Schlichte
Das Gold im Volke treu geschürft zu Tage;
Die ließ mich schaun durch ihrer Meiler Schwelen
Im festen Umriß starke, muth'ge Seelen.

Nach diesem auch hat Pestalozz geschrieben
Von tücht'gen Herzen unter schlechtem Kittel;
Wie die Geringen dulden, hoffen, lieben -
Lienhard und Gertrud ist des Buches Titel.
Oft las ich es - mit Augen, ach! die quollen! -
Nun ist es auch wohl, jenem gleich, verschollen!

Dann kam Brentano! Wie mit Blutestropfen
Schrieb er sein Annerl in gewalt'gen Zügen!
Der wußt' es wohl, wie niedre Herzen klopfen,
Und wie so heiß des Volkes Pulse fliegen!
Der warf zuerst aus grauer Bücherwolke
Den prächt'gen Blitz: Die Leidenschaft im Volke!

Drauf Immermann! Dort war westphälisch Leben!
Da sitzt die Lisbeth bei den Hofeseichen;
Von seinen Knechten aber steht umgeben
Der Patriarch, der Hofschulz sonder Gleichen;
Ein Fels von Mann, ein gold- und eisenhalt'ger!
Ein jüngrer Ebert Stilling - nur gewalt'ger!

Als Fünfter nun gesellst du dich zu diesen,
Die treu geschildert einfachkräft'ge Sitten;
Aus deines Schwarzwalds tannendunklen Wiesen
Mit seinen Kindern kommst du froh geschritten,
Und setzest ein das Tuchwams und die Flechte
Und ihre alten dichterische Rechte!

Das ist ein Buch! Ich kann es dir nicht sagen,
Wie mich's gepackt hat recht in tiefer Seele;
Wie mir das Herz bei diesem Blatt geschlagen,
Und wie mir jenes zugeschnürt die Kehle;
Wie ich bei dem die Lippen hab' gebissen,
Und wieder dann hellauf hab' lachen müssen!

Das Alles aber ist dir nur gelungen,
Weil du dein Werk am Leben ließest reifen;
Was aus dem Leben frisch hervorgesprungen,
Wird wie das Leben selber auch ergreifen,
Und rechts und links mit Wonnen und mit Schmerzen
Sturmschritts erobern warme Menschenherzen!

So geht es dir, so ging es jenen Vieren!
Wie schön ihr dasteht in geschloss'ner Reihe,
Für ein Jahrhundert den Beweis zu führen,
Daß immer jung bleibt deutsche Sitt' und Treue: -
Derb schaut mich an dasselbe Volksgesichte
Aus deinen Blättern, wie aus Jung's Geschichte!

An Neckar, Ruhr, in Baiern, Schweiz und Siegen,
Ob hundert Jahre sich durch's Land sich drängten,
Dasselbe Antlitz mir denselben Zügen!
Und überall noch, was sie auch verhängten:
Gedrücktsein, Armuth, Kriegsnoth und Trubeln -
Dasselbe Lachen, Weinen, Zürnen, Jubeln!

O, das erhebt! Wer mag ihn unterdrücken,
Den Kern im Volk, den ewig tücht'gen, derben?
So laß uns frisch denn auf und vorwärts blicken:
Ein Keim wie der wird nimmermehr verderben!
Der fängt erst an, in Pracht sich zu entfalten -
Mag Gott die Hände segnend drüber halten!

In solcher Hoffnung biet' ich dir die Rechte! -
Wär' ich der Schwarzwald, meine Wipfel ballt' ich,
Und schüttelte der Aeste Wucht, und brächte
Ein Ständchen dir, wildrauschend und gewaltig!
Ich hoff', er thut's! Mag dir auf weitern Flügen
Indeß mein Handschlag und dieß Lied genügen!


Des Kaisers Segen.

Ich bin die ganze Nacht hindurch
Den Rhein hinauf geschritten
Von Drachenfels und Wolkenburg
Bis wo die Linzer schnitten.

Bis Rhöndorf unter'm Drachenloch
Anband sein Boot der Ferge;
Zu Honnef sang ein Mädchen noch:
„Stand ich auf hohem Berge."

In Breitbach stellte mich die Wacht,
In Unkel trank man Neuen,
In Erpel schlug es Mitternacht,
In Erpel vor der Leyen.

Und hinter Erpel in dem Feld,
Da ist er mir begegnet,
Der große Karl, der Frankenheld,
Der seine Trauben segnet.

Er ging mit ernstem Angesicht
In seinen Grabgewanden;
Er ging einher in Glanz und Licht,
Im Segnen auferstanden.

Und um ihn sangen Reb' und Moos,
Dazu die Felsenblöcke:
„Er segnst nicht im Rheingau bloß
Die stolzen Herrenstöcke!

„Er fei't nicht bloß am Oberrhein
Des Fürstenwinzers Messer;
Er macht den Großen nicht allein
Und Reichen volle Fässer!

„Er denkt auch an den irdnen Krug
In strohgedeckten Hütten,
Und schüttet Most und Wein genug
In armer Halfen Bütten.

„Er weiß: der ächte Feuertrank
Springt leider nur den Fürsten,
Und friert das Volk und liegt es krank,
So muß nach ihm dürsten!

„Doch labt und stärkt es noch zur Frist
Der Segen herbrer Reiser;
Und daß an dem kein Mangel ist -
Auch dafür sorgt der Kaiser!

„Und darum wallt er feierlich
Sromunter durch die Stäbe,
Bis wo am allerletzten sich
Festrankt die letzte Rebe!

„Der Kaiser weiß, was Allen frommt,
Am ganzen grünen Strome!
Sanft ruh't er, bis er wiederkommt,
Zu Aachen in dem Dome!"

So raunt es flüsternd durch die Nacht -
Der Schemen war verschwunden.
Ich habe durch die Ranken sacht
Nach Hause mich gefunden.


Trotz alledem!
Nach Robert Burns 

Ob Armuth euer Loos auch sei,
Hebt hoch die Stirn, trotz alledem!
Geht kühn den feigen Knecht vorbei:
Wagt's arm zu sein, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Trotz niederm Plack und alledem,
Der Rang ist das Gepräge nur,
Der Mann das Gold trotz alledem!

Und sitzt ihr auch beim kargen Mahl
In Zwilch und Lein und alledem,
Gönnt Schurken Sammt und Goldpokal -
Ein Mann ist Mann trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Trotz Prunk und Pracht und alledem!
Der brave Mann, wie dürftig auch,
Ist König doch trotz alledem!

Heißt „gnäd'ger Herr" das Bürschchen dort,
Man sieht's am Stolz und alledem;
Doch lenkt auch Hunderte sein Wort,
´S ist nur ein Tropf trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Trotz Band und Stern und alledem!
Der Mann von unabhängigem Sinn
Sieht zu, und lacht zu alledem!

Ein Fürst macht Ritter, wenn er spricht,
Mit Sporn und Schild und alledem;
Den braven Mann creirt er nicht,
Der steht zu hoch trotz alledem:
Trotz alledem und alledem!
Trotz Würdenschnack und alledem -
Des innern Werthes stolz Gefühl
Läuft doch den Rang ab alledem!

Drum jeder fleh, daß es gescheh,
Wie es geschieht trotz alledem,
Daß Werth und Kern, so nah wie fern,
Den Sieg erringt trotz alledem!
Trotz alledem und alledem,
Es kommt dazu trotz alledem,
Daß rings der Mensch die Bruderhand
Dem Menschen reicht trotz alledem!


Die Freiheit! Das Recht!

O, glaubt nicht, sie ruhe fortan bei den Todten,
O, glaubt nicht, sie meide fortan dies Geschlecht,
Weil muthigen Sprechern das Wort man verboten
Und Nichtdelatoren verweigert das Recht!
Nein, ob ins Exil auch die Eidfesten schritten;
Ob, müde der Willkür, die endlos sie litten,
Sich andre im Kerker die Adern zerschnitten -
Doch lebt noch die Freiheit und mit ihr das Recht!
- Die Freiheit! Das Recht!

Nicht mach' uns die einzelne Schlappe verlegen!
Die fördert die Siege des Ganzen erst recht;
Die wirkt, daß wir doppelt uns rühren und regen,
Noch lauter es rufen: Die Freiheit! Das Recht!
Denn ewig sind Eins diese heiligen Zweie!
Sie halten zusammen in Trutz und in Treue;
Wo das Recht ist, da wohnen von selber schon Freie,
Und immer, wo Freie sind, waltet das Recht!
- Die Freiheit! Das Recht!

Und auch das sei ein Trost uns: nie flogen, wie heuer,
Die freudigen Zwei von Gefecht zu Gefecht!
Nie flutete voller ihr Odem und freier,
Durch die Seele selbst brausend dem niedrigsten Knecht!
Sie machen die Runde der Welt und der Lande,
Sie wecken und werben von Strande zu Strande,
Schon sprengten sie kühn des Leibeigenen Bande
Und sagten zu denen des Negers: Zerbrecht!
- Die Freiheit! Das Recht!

Ja, ihr Banner entflattert und weht allerorten,
Daß die Unbill gesühnt sei, die Schande gerächt!
Ja, und siegen sie hier nicht, so siegen sie dorten,
Und am Ende doch siegen sie gründlich und echt!
O Gott, welch ein Kranz wird sie glorreich dann zieren!
All die Läuber, die Völker im Fahnentuch führen!
Die Olive des Griechen, das Kleeblatt des Iren
Und vor allem germanisches Eichengeflecht!
- Die Freiheit! Das Recht!

Wohl ruhn dann schon manche, die jetzo noch leiden -
Doch ihr Schlummer ist süß, und ihr Ruhn ist gerecht!
Und licht an den Gräbern stehen die Beiden,
Die wir ihnen auch danken - die Freiheit! das Recht!
Unterdeß hebt die Gläser! Ihr Wohl, die da stritten!
Die da stritten, und muthig ins Elend drum schritten!
Die das Recht uns verfochten, und Unrecht drum litten!
Hoch ewig das Recht - und die Freiheit durch´s Recht!
- Die Freiheit durch´s Recht!


Ein Denkmal
Kreuznach, 14. April. Wie man vernimmt, wird auf der Ehernburg, auf welcher es wenigstens wieder wohnlich ist, eine Spielbank errichtet. Kölnische Zeitung vom 16. April 1842 

Ein Spieler war, ein frecher,
Trug Koller und Baret,
Schwang stets den Würfelbecher,
Setzt' alles auf ein Brett;
Sein einz'ge Lust das Spielen,
Sein Hort die Würfelei,
Und wenn die Knöchel fielen,
Dann war sein Wahlspruch frei:
„Jacta est alea! Ich hab's gewagt!"

Meist hatt er's mit den Pfaffen -
Wie war die Kutte schwach!
Doch Rittern auch in Waffen
Mit Ehren bot er Schach;
Sah Fürsten in die Karte,
Trumpft' ab und stach genug;
In allem Ding beharrte er
Treulich bei dem Spruch:
Jacta est alea! Ich hab's gewagt!"

Bei Gott, ein dreister Spieler,
Ein rechter Unverzagt!
Ein Schreck und Fürchten Vieler
Sein kühn: ,,Ich hab's gewagt!"
Und immer spielt' er ehrlich:
„Da liegt mein Wurf! seht nach!"
Das macht' ihn just gefährlich
Den Falschen, wenn er sprach:
Jacta est alea! Ich hab's gewagt!"

Drum haben die Obskuren
Und Argen ihn gehaßt.
Sie folgten seinen Spuren,
Verhetzten ihm die Rast.
Sie hätten ihn gern geknechtet,
Den frei'sten Mann im Land;
Er aber floh, geächtet,
Und grollte noch verbannt:
Jacta est alea! Ich hab's gewagt!"

Wie ward er umgetrieben
Auf seinem irren Zug!
Es hat davon geschrieben
In Treuen manches Buch.
Lest selbst, auf was für Steinen
Der flücht'ge Trotzkopf schlief;
Ich nenn euch heut nur einen,
Auf dem er auch einst rief:
Jacta est alea! Ich hab's gewagt!"

Schloß Ebernburg, die Veste,
Bespült vom Nahefluß'
Empfing ihn auf das Beste
Mit Handschlag und mit Kuß.
Bei Berlichingens Schwager,
Nach manchem harten Strauß,
Erwarb er sich ein Lager
Und spielt' aufs neue aus:
]acta est alea! Ich hab's gewagt!"

Da kühlt' ihm Laub und Blüthe
Der Seele Zorn und Qual;
Noch heißt im Burggebiete
Ein Thal das Huttenthal.
Da lag er still im Holze,
Dem Hirsch gleich, den man hetzt;
Warf immer noch, der Stolze,
Ausrufend bis zuletzt:
Jacta est alea! Ich hab's gewagt!"

0 Deutschland, deine Großen
Zu ehren stets bereit!
Ihm, den die Welt verstoßen,
Ein Denkmal weihst du heut!
Die Zeit ist Mälern günstig;
Wen ehrt nicht seines Orts
Ein Denkmal? Du entsinnst
Dich zur rechten Zeit des Worts:
Jacta est alea! Ich hab's gewagt!"

Und o, mit welchem Bilde
Preist ihn dein richt'ger Sinn;
Mit Helm und Schwert und Schilde
Stellst du den Hermann hin;
Mit seinem Bürgerbuche
Hebt Justus Möser sich: -
Ein Tisch mit grünem Tuche
Dem Würfler Ulerich!
jacta est alea! Du hast's gewagt!

Auf Ebernburg, der Trümmer,
Da wird das Denkmal stehn;
Da wird es bald den Schimmer
Erlauchter Gäste sehn.
Den epheugrünen Stufen
Des Burgthors nahn sie frank;
Dann hört man oft wohl rufen
Zu Huttens Preis: „Va banque!
Jacta est alea! Ich hab's gewagt!"

Dann wirst du wieder schallen,
0 Wort voll Muth und Trutz,
Dort in der Herberg' Hallen,
Die der Gerechten Schutz!
Wirst bis zum Eiland dringen,
Wo matt sein Auge brach;
Wirst am Gestad verklingen,
Wo sterbend er noch sprach:
Jacta est alea! Ich hab's gewagt!"

Was gilt's, das wird ihn wecken!
Aufblickt er, wer ihn stört.
Ihr Herrn, wollt nicht erschrecken,
Wenn ihr ein Echo hört!
Steht fest und ohne Scheuen,
Spielt weiter keck und kalt,
Wenn es wie Wetterdräuen
Zurück von Ufnau schallt:
Jacta est alea! Ihr habt's gewagt?!"


Ein Patriot
Dulce et decorum est u.s.w..

Hazardspiel? - Pfui - daß mich der Herr bewahre!
Hol es der Teufel - ja, das sag ich frisch!
Ich werde morgen meine sechzig Jahre
Und trat noch niemals an den grünen Tisch!
Hätt ich's getan - bei Gott, ich müßt erröten!
O, dies Roulett, ich haß es und verfem's!
Ich bin ein Christ - und schlag ein Kreuz vor Köthen!
Ich bin ein Mann - und pfeife was auf Ems!

Nein, was ich liebe, ist ein ehrlich Lotto;
Der Mensch muß spielen - ja, das räum ich ein!
„Wagen gewinnt!" ist des Jahrhunderts Motto -
Drum müssen halt auch Lotterien sein!
Die sind moralisch! Hoch ein Hazardiren,
Dem Flor des Volkes gilt als höchstes Ziel!
Wer wird sein Geld an Benazet verlieren,
Wenn Staaten rufen: „Machen Sie Ihr Spiel!"

Ein hehrer Ruf! Er ging mir nicht verloren!
Seit dreißig Jahren setz ich pünktlich ein!
Doch nur im Lande - sei es euch geschworen!
Ich schmeichle mir, ein Patriot zu sein!
Nein, ich vertrug der Heimat keinen Heller,
Nie war ich Hamhurg, nie den Dänen grün!
Nie fing zu Frankfurt mich ein Vogelsteller
Mit unsoliden Güterlotterien!

Ich blieh daheim - drum ward ich auch gesegnet!
Versteht mich recht: leer wurde meine Truh!
Nicht hat Fortuna mich mit Gold beregnet -
Doch warf ihr Rad den Bettelstah mir zu!
Mein siechend Weib und meine Rangen klagen;
Was heulen sie? - Ich glaube gar, um Brot.
Beschränktes Volk! Was will der Bettel sagen?
Ich gab's dem Staat - ich bin ein Patriot!

Was ich verlor, hat manchen armen Teufel
Vielleicht gerettet - Gott weiß, wo im Land.
Wo nicht - ei nun, so ward es ohne Zweifel
Zur Volksbeglückung sonsten angewandt!
Wie manches Tausend schon ließ ich roulieren -
0, wirkte Jeder so mit Ernst wie ich,
Wie müßte da das Vaterland floriren,
Wie mehrte da des Volkes Wohlstand sich!

Ich - nun ich that nach meinen schwachen Kräften!
Und - zum Roulettisch sah mich niemand gehn!
Wird man kein Kreuz mir auf den Kittel heften?
Es würde gut zu meinem Hauskreuz stehn!
Auch zu dem Tannenkreuz auf meinem kühlen
Grabhügel bald, hart an des Kirchhofs Rand! -
O, es ist süß und ehrenvoll, zu spielen
Und sich zu opfern für das Vaterland!


Am Baum der Menschheit drängt sich Blüth' an Blüthe 

Am Baum der Menschheit drängt sich Blüth´ an Blüthe.
Nach ew'gen Regeln wiegen sie sich drauf:
Wenn hier die eine matt und welk verglühte,
Springt dort die andre voll und prächtig auf.
Ein ewig Kommen und ein ewig Gehen
Und nun und nimmer träger Stillestand!
Wir sehn sie auf, wir sehn sie nieder wehen,
Und jede Blüthe ist ein Volk, ein Land!

Wir, die wir wandeln noch auf jungen Sohlen,
Sahn doch schon manche sterbend und geknickt.
Vom Steppengeier ward die Rose Polen
Vor unsern Augen wild und grimm zerpflückt!
Durch´s Laub Hispanien ernst auf ihrem Gange
Stürmt die Geschichte - ob es fallen muß?
Ob nicht ein andres, morsch und faul schon lange,
Zerflatternd hinsaust über´n Bosporus?

Doch neben diesen, die des Weltgeists Weben
Vom Aste schüttelt mit gewalt'ger Kraft,
Sehn wir ans Licht auch andre Triebe streben,
Hellaugig, freudig, voll von jungem Saft.
O, welch ein Sprossen, welch ein reich Entfalten!
O, welch ein Drang in alt und neuem Holz!
Wie manche Knospe sahn auch wir sich spalten,
Wie manche platzen, laut und voll und stolz!

Der Knospe Deutschland auch, Gott sei gepriesen!
Regt sich's im Schoß! Dem Bersten scheint sie nah -
Frisch wie sie Hermann auf den Weserwiesen,
Frisch, wie sie Luther von der Wartburg sah!
Ein alter Trieb! Doch immer mutig keimend,
Doch immer lechzend nach der Sonne Strahl,
Doch immer Frühling, immer Freiheit träumend -
O, wird die Knospe Blume nicht einmal?

Ja, voller Kelch! - Dafern man nur nicht hütet,
Was frei und freudig sich entwickeln muß!
Dafern man nicht, was die Natur gebietet,
Für Ranke nimmt und eitel wilden Schuß!
Dafern man zusieht, daß kein Mehltau zehre
Tief an der Blätter edlem, zartem Kern!
Dafern den Bast man wegwirft und die Schere!
Dafern - ja nun, ich meine nur: dafern!

Der du die Blumen auseinanderfaltest,
O, Hauch des Lenzes, weh auch uns heran!
Der du der Völker heil'ge Knospen spaltest,
O, Hauch der Freiheit, weh auch diese an!
In ihrem tiefsten, stillsten Heiligtume
O, küß sie auf zu Duft und Glanz und Schein -
Herr Gott im Himmel, welche Wunderblume
Wird einst vor allen dieses Deutschland sein!

Am Baum der Menschheit drängt sich Blüth´ an Blüthe,
Nach ew'gen Regeln wiegen sie sich drauf;
Wenn hier die eine matt und welk verglühte,
Springt dort die andre voll und prächtig auf.
Ein ewig Kommen und ein ewig Gehen
Und nun und nimmer träger Stillestand!
Wir sehn sie auf-, wir sehn sie niederwehen -
Und ihre Loose ruhn in Gottes Hand!


Im Himmel

So ging es jüngst im Himmel zu: Der alte Fritz sprang auf,
Und rieb die Hände sich, und schlug an seinen Degenknauf;
Er schritt im Himmel auf und ab, und schaute grimmig drein,
Und trat dann vor den Blücher hin und vor den Herrn von Stein.

Winkt' auch den Ziethen noch heran, dazu den Winterfeldt;
Die haben mit dem Gneisenau alsbald sich eingeszellt;
Imgleichen kamen der Schwerin, der Scharnhost und der Keith,
Und all' die großen Preußen sonst aus alt' und neuer Zeit.

Und als er sie beisammen sah, da rief er: „Schwerenoth!
Die Sache geht mir durch den Kopf! Was Teufel bin ich todt!
Was Teufel bin ich eben jetzt daheim nicht zu Berlin!
'S wieder eine Zeit für mich! - Was - meint Er nicht, Schwerin?

„Wie wollt' ich sie ergreifen! - Ha - nicht mehr als Autokrat!
Nein, nein - ein ander Säkulum, ihr Herrn, ein andrer Staat!
Goß ich doch selber aus ein Licht, zu flammend und zu klar,
Als daß ich kehren könnte ganz derselbe, der ich war!

„Nein - was ich auch gewirkt, ihr Herrn, durch Beispiel und durch Wort,
Dazu die ganze große Zeit von Dreizehn und so fort -
Ein Unterbau nur wär' es jetzt (gewaltig zwar und breit!),
Drauf ich erhübe frischen Muths den Staat der neuen Zeit!

„Der neuen Zeit, die Andres will, als Eidbruch und Verrath!
Die neue Zeit, die Andres will, als Lug und Lügensaat!
Und endlich einmal mehr verlangt, als Schall und Rederei!
Die endlich einmal athmen will - aufathmen tief und frei!

„Herr, dieß betrogne deutsche Volk! - Und Keiner, der es rächt!
Und Keiner, der im schaffen mag sein vorenthaltnes Recht!
Der jeden Schwur, den man ihm brach, einfordert fest und kühn!
Der zornig mit dem Fuße tritt auf Karlsbad und auf Wien!

„Ich thät's! Einschlüg' ich mit der Faust dieß Diplomatennetz!
„“Reichsstände! öffentlich Gericht! ein einig deutsch Gesetz!
Und überall das freie Wort!"" - Bei Gott, so trät' ich hin!
Bei Gott dem Herrn, so schlüg' ich durch! - so wahr ich König bin!

'S würd' eine Bombe sein! Gleichviel! Ging's auch ein Jahr lang kraus,
Ich brächt' es in die Richte schon, ich führt' es doch hinaus!
Und zög' ein Wetter auch heran, und würfe Keil auf Keil:
Ein König trotzt' ich Königen - zu meines Volkes Heil!

„Und nach dem kurzen Wetter dann ein Land voll Sonnenscheins!
Ein neues Deutschland, frei und stark; ein Deutschland groß und eins!
Ja, nach dem Sturm die Iris dann auf flieh'nder Wolken Grund!
Ein Bund der Fürsten mit dem Volk - ein rechter deutscher Bund!

„Es ist das Volk ein edler Strom! Wer muthig ihm vertrauth,
Wer hellen Auges unverzagt in seine Tiefen schaut,
Den hebt er freud'gen Schalls empor, den trägt er flott im Schoos -
Den Feigen und den Schwachen nur fortreißt er mitleidlos!

„Mich höb' er schon, mich trüg' er schon! - Was, Blücher, hab' ich Recht?
Ein Held des Volkes, mehr als je, durchschritt' ich dieß Geschlecht;
Ging' ich zur Ruh' einst, allezeit gesegnet und erfleht!" -
Die alten Herrn verneigten sich: „Ja, - Sie auch Majestät!"


Von acht Rossen

Fährt im Land ´ne Staatskarosse;
Ziehn sie acht famose Rosse,
Feurig, ein beherzt Gespann!
Eines ward am Rhein geboren,
Hebt das Haupt und spitzt die Ohren,
Zieht vor allen muthig an.

Beißt ein andres in die Stange,
Wo der Fischer mit Gesange
Froh den goldnen Bernstein fischt;
Kräftig schnaubt es mit den Nüstern;
Die es lechzend in den düstern
Ostseewellen sich erfrischt.

Ist das dritte aufgewachsen
In dem guten Lande Sachsen,
Tritt den Boden fest und stark.
Dies hier stammt aus Schlesiens Talen,
Jene zwei sind aus Westfalen
Und der Brandenburger Mark.

Seht alsdann mit breitem Nacken
Noch den Pommern und Polacken -
Auch ein derb und stattlich Paar! -
Also ziehn die acht trotz Einem;
Frisch und mutig - doch an keinem
Ist auch nur ein falsches Haar!

Wollt´ es glauben nur der Lenker!
Doch der denkt: „Hol euch der Henker!
Immer mehr schwillt euch der Kamm!
Wahr ist's, ihr seid brav und wacker!
Doch ein paar von euch sind Racker!"
Hält somit die Zügel stramm.

Tönt herauf zu ihm ein Schnauben,
Spricht er: „Was sich die erlauben!"
Ruckt mit Zürnen am Gebiß.
Schallt ein Ruf recht dreist metallen,
Gleich erregt es sein Mißfallen -
Ja doch, es gefällt ihm miß!

Wollen sie sich eines neuen
Peitschenreglements nicht freuen -
Ei, wie straft sie da sein Pfiff!
Ei, wie fällt ihm da vom Munde
Ander Wort, als zu der Stunde,
Drin die Zügel er ergriff!

Woll´n mit ehrerbiet'gem Wieh´ren
Flehn sie oder Klage führen,
Solcher gilt als Schabernack!
Vollends wird der Stab gebrochen
Über gar ein zweites Pochen
Um denselben Habersack!

Ziehn darum, die gerne flögen,
Stolz und brausend gern ihn zögen,
Langsam jetzo sein Gefährt!
Stets des rechten Vorwärts harrend,
Stampfend nicht, doch dafür scharrend
In der Stille desto mehr!

Immer ruhig, immer sachte,
Ihr getreuen, lieben Achte!
Eines glaubt und bleibt dabei:
Steckt der Karrn einmal im Drecke,
Hui, dann geht es rasch vom Flecke,
und die Zäume fliegen frei!


Die weiße Frau

Man sagt, es läßt die weiße Frau
Sich hier und dorten wieder sehen;
Durch mehr als einen Fürstenbau
Mit fahlem Antlitz soll sie gehen.
In weißer Robe, weiß verbrämt,
Tritt sie aus Wänden und aus Bildern;
Dastehn die Wachen wie gelähmt,
Die in den Korridoren schildern.

Wem gilt ihr abermalig Nahn
Rings in den Reichen und Provinzen?
Sagt sie, wie sonst, ein Sterben an?
Tod eines Fürsten oder Prinzen?
Es könnte sein - ich weiß es nicht!
Die Rede geht: ein tiefrer Jammer
Treibt sie hervor ans Tageslicht
Aus ihrer dunst'gen Totenkammer!

Sie schwebt durch Schlafgemach und Saal,
Sie beugt sich über goldne Wiegen,
Sie sieht den Herrn und sein Gemahl
Auf seidnen Pfühlen schlummernd liegen.
Sie haucht ihn an: „Was schlummerst du?
O, daß du sähest meinen Kummer!
Die Ohren taub, die Augen zu -
Ach, ewig find ich dich im Schlummer!

„Auf, mein Geschlecht! - Hör´, wie weithin
Ein Schrei gellt, den du selbst beschworen!
Durch meiner Särge doppelt Zinn
Fühlt´ ich ihn spitz mein Herz durchbohren!
Es ist der Schrei, den um sein Recht
Das Volk erhebt - annoch in Treuen!
Du schläfst sehr fest, 0 mein Geschlecht,
Zu überhören solch ein Schreien!

„Die Todten weckt es in der Gruft -
Herr Gott, und die Lebend'gen schlafen!
Abschüttl ich Staub und Moderduft:
Ich möchte wecken, warnen, strafen!
Ich hab nicht Rast, ich hab nicht Ruh -
Eil, o mein Stamm, dich zu erheben!
Der Mann des Todes ruft dir zu:
Erfasse frisch und kühn das Leben!

„Du thätest besser, in der That,
Frei das Panier ihm zu entfalten,
Als am verwitterten Brokat
Von meiner Bahre dich zu halten!
O, laß ihn fahren, eh dich's reut!
Blick´ aus nach Stützen, jüngern, festern!
Mehr wärmt ein Bauernwams von heut
Als Hermelin und Samt von gestern!

„O, schrecklich war, was ich beging,
Auf meinem Schloß zu Orlamünde!
Daß ich als Schatten geh und ging,
Es ist ja nur für jene Sünde!
Die eignen Kinder, lieb und lind,
Bracht ich ums Leben dort, o Grauen!
Doch du auch würgst ein lächelnd Kind -
Du mordest deines Volks Vertrauen!

„Laß ab, laß ab - o sieh nicht fort!
Laß ab - es fleht, es hebt die Hände!
Laß ab - daß neuer Kindermord
Des Hauses alten Ruhm nicht schände!
O glaub: entsetzlich ist ein Fluch!
Er lastet auf der Brust wie Berge!
Er sengt wie Wetterstrahl! - Genug!
Ich kehr´ zurück in meine Särge!

„Da seh ich lustig über mir
Die Welt mit Blumen und mit Gräsern!
Sarg und Gewölbe, Schloß und Tür -
Ich starr´ hindurch, als wär´ es gläsern!
O, daß die Blumen je und je
Als Kranz um deine Schläfe lachten!
Daß ich sie nimmer blutig säh´ -
Blutig durch dich und dein Mißachten!"

Sie senkt das Haupt, sie ringt die Hand,
Als ob ein Ahnen dumpf sie quäle.
Durch zwiefach Schloß und Teppichwand
Huscht sie davon, die arme Seele.
In weißer Robe, weiß verbrämt,
Schwebt sie vorbei den Ahnenbildern;
Dastehn die Wachen wie gelähmt,
Die in den Korridoren schildern!


Vom süßen Brei
Fortsetzung des Vorigen

Sie ist verschwunden wie ein Traum -
Wer mag den Grabweg ihr versperren?
Schwer unterdeß auf seinem Flaum,
Schwer ist der Morgenschlaf des Herren.
Er lallt halbwach: „Das Volk? das Recht?
Was sie nur will? Ich möcht es wissen!
Ich schlafe diesen Morgen schlecht." -
Und sinkt zurück in seine Kissen.

Da naht von neuem das Gesicht,
Die letzte Frührast ihm zu stören.
Sie tritt zu Häupten ihm und spricht:
„Was du gefragt hast, sollst du hören! -
Ich baute weiland mir ein Schloß,
Stolz und in Herrlichkeit zu wohnen!
Aufbaut ich's mit Vasallentroß -
Mein ganzes Dienstvolk mußte frohnen!

„Schlank in die Lüfte stieg der Bau,
Schlank mit Gewölben, Bogen, Gurten!
Aufstieg er, eine prächt'ge Schau,
Ob auch die Fröhner trotzig murrten.
Da sprach ich: Wohl, ich geb´ euch Lohn!
So haltet aus denn in der Treue!
Und endet mit dem Bau die Fron,
So letz´ ich euch mit süßem Breie!

„Nun merk´: Ich hielt, was ich versprach!
Wer wird sein Wort dem Volke brechen?
Nein, heilig sei uns ein Vertrag,
Und unumstößlich ein Versprechen!
Nein, hat die Schlösser, die wir baun,
Mit Schweiß und Blut das Volk gekittet,
So mög´ es auch die Löhnung schaun,
Die nach dem Pakt es sich erbittet!

O, prächtig war die Gasterei,
Als nun die Burg dastand vollendet!
Nie ward zuvor ein süßem Brei
Mit vollen Löffeln so verschwendet!
Und alle Jahr bei Wein und Brot
Ließ ich den Festtag sich erneuern;
Es mußt ihn selbst nach meinem Tod
Die ganze Herrschaft jubelnd feiern

„So ward der süße Brei zum Recht!
Verstehst du jetzt mein Reden besser?
O Sohn, du und dein Vorgeschlecht,
Ihr habt erhoben viele Schlösser!
Und viele Worte sind gesagt,
Die süßen Brei dem Volk verhießen -
Kannst du dich wundern, wenn es klagt
Und endlich Lust hat, zu genießen?

„Es gab dir Blut, es gab dir Schweiß,
Und wird dir, was es gab, nicht schenken!
O, wolle doch des süßen Breis,
Den du versprochen, bald gedenken!
O, gib den Brei, den süßen Brei!
Wer weiß, was wird! Rasch fliehn die Stunden!" -
Aufwacht der Herr mit jähem Schrei,
Und wiederum ist sie verschwunden!


Wann?

Die Zeitung schreibt von braven Henkern,
Die Schwert und Augentuch
Voll Zorns in einen Winkel schlenkern,
Sprechend: „Es ist genug!
In unsrer Seele schreit es Zeter -
Wir geben ihr Gehör!
Köpft selber eure Missetäter -
Wir köpfen keinen mehr!"

- Wann fallen so erst Deutschlands Karten,
Daß noch ein Henkeramt
Ihr Mund, die jetzo seiner warten,
Mit Offenheit verdammt?.
Daß sie ihr Mordzeug von sich schmeißen,
Ausrufend: „Nimmermehr!
Wir lassen lieber uns zerreißen!
Nur das - nur das nicht mehr!

„Nein, nimmer! Und für ehrlos gelte
Der deutsche Mann hinfort,
Der stümmelnd niederhaut mit Kälte
Das unbeschirmte Wort!
Der Hand legt an das Allerfreiste
Von allem, was da frei!
Der an dem Gott in uns, dem Geiste,
Ausübt Scharfrichterei!

„Ist euch der Geist ein armer Sünder,
Wohl - tut ihn selber ab!
Drauf eure Vierundzwanzigpfünder!
Drauf - in Galopp und Trab!
Doch wir: - in's Weltmeer uns're Schere!
Hinschwemme sie der Rhein!
Kein deutscher Mann, kein Mann von Ehre
Will Zensor fürder sein!"


Im Irrenhause.

Nun noch in diese Kammer tritt -
Ein einzig Fenster gibt ihr Helle!
Starr, wie ein Steinbild von Granit,
Dasteht der Insaß dieser Zelle!
Dasteht er wie ein Todter schier -
Nichts, was ihn störte, was ihn weckte!
Sein gläsern Auge funkelt stier,
Wie Macbeth's, als ihn Banquo schreckte!

Da jach kommt Leben in den Stein!
Er springt zurück - was muß er schauen?
Von wannen nur dringt auf ihn ein
Haarsträubend dieses wüste Grauen?
Er hält die Hände schirmend vor,
Als säh' er Schwerter oder Flammen;
Er schüttelt sich, und heult empor,
Und bricht mit Klagelaut zusammen!

Und ruft: „Hab' ich euch doch erdolcht!
Was braucht ihr fürder mich zu quälen?
Wer schickt euch, daß ihr mich verfolgt,
Blutrünstige Gedankenseelen?
Wer hat den Rückweg euch gebahnt
Aus eurem Nichts, ihr trotzigen Dinger,
Daß an die Schlachtzeit ihr mich mahnt,
Drin euch hineinwies dieser Finger?

„Lautlos, wie Aehren, sankt ihr hin,
Legionenweis - ha, welch ein Mähen!
Nie kam mir damals in den Sinn,
Ihr könntet wieder auferstehen!
Hu - ob ihr's könnt! Im Palast hier
Erfuhr ich's, drin ich gern sonst wohne,
Seit ihn für treue Dienste mir
Anwies als Eigenthum die Krone!

„Ein prächt'ger Bau! Doch ganz und gar
Ein Spukhaus eben, will mich dünken!
Weh' - eine zorn'ge Leichenschaar,
Stürmt ihr heran, mein Blut zu trinken!
Anstürmet ihr, abgehetzt und bleich,
Doch auf den Stirnen Muth und Klarheit!
Zwei hohe Weiber führen euch -
Die Freiheit, glaub' ich, und die Wahrheit!

„Ja doch, die sind's! - Für sie ja quollt
Aus Schädeln ihr, tollkühnen, frechen!
Dreist ihr Gesetz habt ihr entrollt -
Und jetzt wollt ihr den Hals mir brechen!
Hohnlachend jetzt des Todesstoß
Nach meinem Herzen wollt ihr führen -
Fort, ihr Gesindel, laßt mich los!
Ich will mit euch kapituliren!

„Ja - aber wie? - wer Teufel weiß!
Halt - hab' ich euch denn nicht verboten?
Was denn umsteht ihr mich im Kreis?
Ihr seid ja todt! fort zu den Todten!
Fort - hier bin ich im Recht - erlaubt -
Bückt euch - ich will euch nur zertreten!
Weh' mir, ihr schüttelt ernst das Haupt!
Ihr sagt: Der Geist läßt sich nicht tödten!

„Der Geist? - nicht tödten? - Ach, ich Thor!
Mir gleich, was sie für Reden führen!
Und doch - wer raunt mir denn in's Ohr:
Nicht tödten, aber wohl verlieren! -
Ja so - den Geist - so mein' ich's auch!
Wie ist mir denn? - ich steh' geschlagen!
Was kann ein armer Censor auch
Dem Geiste nur vom Geiste sagen?

„Ihr lacht, Gesindel? - Allesammt
Flugs in den Staub vor mir gesunken!
Hui da, was wollt ihr nur? - Verdammt!
Zu mächtig sind mir die Hallunken!
Die Wahrheit schlägt mich in's Gesicht,
Die Freiheit bindet mir die Fäuste,
Anrasseln die Gedanken dicht -
Weh' - wie geschieht mir - Fluch dem Geiste!

„Nein, Gnade, Gnade! Los die Hand!
Los! O, wie viele waren härter,
Als ich!" - Es fliegt hinan die Wand -
Da faßt den Rasenden der Wärter.
Gebändigt hat ihn Jack' und Schnur,
Auf seinem Laher sieh' ihn kauern!
Komm nun - er war ein Werkzeug nur!
Laß uns nicht richten - nur bedauern!


Forts.