Flüchtlinge
An Frau Ida Freiligrath

So ist es doch betrübt zu klagen,
Wenn deutsche Mütter den Rhein hinab,
Hinab und über des Meeres Grab
Die zarten Wickelkindlein tragen
Nach freier Länder Gestaden hin,
Indes die Männer auf weiten Wegen
Getrennt, bekümmert zum Ziele fliehnt
Ich streue meinen leichten Segen
Fast trauernd in dein Frauenherz;
Fahr glücklich denn rheinniederwärts
Und finde Leut' in allen Reichen,
Die gute Milch dem Kindlein reichen,
Und auf den Schiffen, wenn es schreit,
Ein Publikum, das ihm verzeiht!
Des Reimes wegen, als ein Schweizer,
Wünsch' ich dir einen nüchternen Heizer,
Der da vorsichtig, sanft und lind
Das Schiff dich tragen läßt mit dem Kind.

Ich wünsche, daß alles, was sehenswert,
Die schönste Seite zu dir kehrt:
Vor deinen Fuß frisch Rasen grün ,
Dem Auge freundlicher Sterne Glühn,
In deine Hände weißes Brot
Und alle Tag' Morgen- und Abendbrot!
Derweil sei deinem Mann der Wein
Allüberall süß, stark und rein!

Und weil die Guten dieser Erden
Noch lange Tage wandern werden,
So mache die Ferne das Herz euch satt
Mit allem Besten, was sie hat!
Sie fülle freundlich euch die Truh'
Und geb' euch leichte Sorgen am Tag,
Des Abends Nachtigallenschlag,
Zur Nachtzeit aber die goldene Ruh;
Des Sommers Frucht, des Frühlings Zier,
In England immer vom besten Bier,
Den Fisch im Wasser, den Vogel der Luft,
Nur keinen Boden zu einer Gruft;
Denn in der Heimat sollt ihr sterben
Und euern Kindern die Freiheit vererben!

(Albumblatt von 1846)