Ein Glaubensbekenntniß
Dem Versteckten
offne Frage,
Das Verstockte frisch in Fluß!
In die Stickluft dieser Tage
Dieses Büchleins kecken Schuß!
VORWORT
Die jüngste Wendung der Dinge in meinem engeren Vaterlande
Preußen hat mich, der ich zu den Hoffenden und Vertrauenden
gehörte, in vielfacher Weise schmerzlich enttäuscht, und sie
ist es vornehmlich, welcher die Mehrzahl der in der zweiten
Abteilung dieses Buches mitgeteilten Gedichte ihre Entstehung
verdankt. Keines derselben, kann ich mit Ruhe versichern, ist
gemacht; jedes ist durch die Ereignisse geworden, ein ebenso
notwendiges und unabweisliches Resultat ihres Zusammenstoßes mit
meinem Rechtsgefühl und meiner Überzeugung, als der
gleichzeitig gefaßte und zur Ausführung gebrachte Entschluß,
meine vielbesprochene kleine Pension in die Hände des Königs
zurückzulegen. Um Neujahr 1842 wurde ich durch ihre Verleihung
überrascht: seit Neujahr 1844 hab ich aufgehört, sie zu
erheben.
Indem ich mich solchergestalt' durch Wort und Tat, offen und
entschieden zur Opposition bekenne, schicke ich gleichwohl der
zweiten Abteilung die erste, schicke ich den unzweideutigen
Stimmen einer ausgebildeten und in sich gefesteten politischen
Meinung die minder sicheren und bewußten einer erst werdenden
und sich gestaltenden voraus. Ich kann nicht anders! Wer am Ziele
steht, soll auch den Umweg nicht verleugnen, auf welchem er es
erreicht hat! Dies mein Glaube, und dies der einzige Grund, der
mich gerade bei dieser Gelegenheit zur Wiederveröffentlichung
jener älteren Gedichte bestimmt. Andere Motive, vollends solche
des Hasses und des Neides, wie man sie einst bei meinem Liede
gegen Herwegh vorausgesetzt hat, sind mir jetzt so fremd, wie sie
es damals waren, und ich stelle sie hiermit aufs entschiedenste
in Abrede. Es ist mir hauptsächlich darum zu tun, eine nunmehr
hinter mit liegende Übergangsepoche meiner poetischen und
politischen Bildung auch sichtbar für mich und andere zum
Abschluß zu bringen.
Und so leg ich denn diese Sammlung, Älteres und Neuestes,
vertrauensvoll an das Herz des deutschen Volkes! Die Besonnenen
und ruhig Prüfenden, hoff ich, werden die zahlreichen Fäden
leicht entdecken, welche aus der ersten Abteilung des Buches in
die zweite herüberführen. Sie werden es erkennen, hoff ich,
daß hier nur von einem Fortschreiten und einer Entwicklung die
Rede sein kann, nicht aber von einem Übertritt, nicht von einem
buhlerischen Fahnentausch, nicht von einem leichtfertigen Haschen
nach etwas so Heiligem, wie die Liebe und die Achtung eines
Volkes es sind. Sie werden es vielleicht um so eher, wenn sie
gleichzeitig erwägen, daß die ganze Schule, die ich soeben als
Individuum vor den Augen der Nation durchgemacht habe, doch am
Ende nur die nämliche ist, welche die Nation, in ihrem Ringen
nach politischem Bewußtsein und nach politischer Durchbildung,
als Gesamtheit selbst durchlaufen mußte und zum Teil noch
durchläuft; - und das Ärgste, was sie mir vorzuwerfen haben,
wird sich zuletzt vielleicht auf das eine beschränken: daß ich
nun doch von jener "höheren Warte" auf die
"Zinnen der Partei" herabgestiegen bin. Und darin muß
ich ihnen allerdings recht geben! Fest und unerschüttert trete
ich auf die Seite derer, die mit Stirn und Brust der Reaktion
sich entgegenstemmen! Kein Leben mehr für mich ohne Freiheit!
Wie die Lose dieses Büchleins und meine eigenen auch fallen
mögen - solange der Druck währt, unter dem ich mein Vaterland
seufzen sehe, wird mein Herz bluten und sich empören, sollen
mein Mund und mein Arm nicht müde werden, zur Erringung besserer
Tage nach Kräften das Ihrige mitzuwirken! Dazu helfe mir,
nächst Gott, das Vertrauen meines Volkes! Mein Gesicht ist der
Zukunft zugewandt!
Ferdinand Freiligrath