Inhalt
Ich fuhr von St. Goar
Auf dem Rhein
(1841)
Abschied von Sankt Goar

Ich fuhr von Sankt Goar

Ich fuhr von Sankt Goar
Den grünen Rhein zu Berge;
Ein Greis im Silberhaar
War meines Nachens Ferge.

Wir plauderten nicht viel,
Die Felsen sah ich gleiten
Dahin im Wellenspiel,
Und dachte vor'ger Zeiten.

Und als wir an der Pfalz
Bei Kaub vorüber waren,
Kam hellen Liederschalls
Ein Schiff zu Tal gefahren.

Ins weiße Segel schien
Der Abend, daß er glühte;
Studenten saßen drin,
Mit Laub umkränzt die Hüte.

Da ging von Hand zu Hand
Der Kelch von grünem Glaste;
Das schönste Mägdlein stand
In goldnem Haar am Maste;

Sie streute Rosen rot
Hinunter in die Wogen,
Und grüßte, wie im Boot
Wir sacht vorüberzogen.

Und horch, nun unterschied
Das Singen ich der Andern:
Da war's mein eigen Lied,
Ich sang es einst vom Wandern;

Ich sang's vor manchem Jahr,
Berauscht vom Maienscheine,
Da ich gleich jenen war
Student zu Bonn am Rheine.

Wie seltsam traf's das Ohr
Mir jetzt aus fremdem Munde!
Ein Heimweh zuckt' empor
In meines Herzens Grunde.

Ich lauschte, bis der Klang
Zerfloß in Windesweben;
Doch sah ich drauf noch lang
Das Schifflein glänzend schweben.

Es zog dahin, dahin -
Still saß ich, rückwärts lugend;
Mir war's, als führe drin
Von dannen meine Jugend.

 

Auf dem Rhein (1841)

Es fährt das Schiff im Morgenglanz hinauf den dunkelgrünen Rhein,
Vorbei an Städten voll Geläut, an Burgen hochumkränzt mit Wein,
An jenen Bögen, draus hervor der Silberarm der Mosel wallt,
Und an der Lurlei schwarzem Fels, von dem das Echo dreifach hallt.

Und sieh! Am Mast des Schiffes steht gelehnt ein fröhlicher Gesell,
Die Wange brennt ihm gar so tief, das Auge blitzt ihm gar so hell,
Und wie empor aus hohem Schlot des Dampfes schwarzer Wirbel zieht,
Da singt er in der Räder Takt mit lauter Stimm´ ein frisches Lied:

"So sei gegrüßt, du schöner Strom, so klar und tief und doch so wild.
Fürwahr, du bist in deiner Pracht des deutschen Sinnes schönstes Bild,
Drum, wer das Auge nur versenkt in deine Flut, gewalt'ger Rhein,
Der denket unbewußt mit Stolz des Glücks, ein deutscher Mann zu sein.

O heil'ger Strom, behüt' dich Gott! 0 deutsches Reich sei stark und eins,
So weit das deutsche Wort erklingt, so weit man trinkt des deutschen Weins,
Halt' fest zusammen, doch nicht wie ein Bettlermantel bunt geflickt,
Nein, einem Banner sei du gleich, in dreißig Farben froh gestickt.

Kein Haufen sei von rohem Stein, der formlos sich zusammenfand,
Nein, ein Gebäude stolz und hoch gefügt von eines Meisters Hand,
Mit Giebeln und Altan geschmückt, mit Bögen, Erkern, Zinn' und Thurm,
Auf sichern Pfeilern aufgeführt zum Trotz dem Wetter und dem Sturm.

Wenn Quader fest an Quader schließt, so steht die Burg durch Gottes Kraft,
So brauchen wir nicht Frankenthum und nicht Baschkirenbrüderschaft;
Nur fülle jeder seinen Platz, und wer zum Eckstein nicht ersehn,
Dem sei's der Ehre schon genug, als Mauerstein im Bau zu stehn.

Ihr Fürsten, denen Gott verlieh des Purpurs und der Krone Zier,
0 dämmet nicht am Strom der Zeit, die Zeit ist mächtiger, als ihr,
Nein, weis' und mäßig steuernd nutzt, indem ihr sie beherrscht, die Flut,
Gebt frei das Wort! Vertraut dem Volk! Fürwahr das Volk ist treu und gut.

 

Abschied von Sankt Goar
(Abschiedsworte an Ferdinand Freiligrath)

Wie flog im Land des Rheines
So rasch die Sommerzeit,
Schon dunkelt blauen Scheines
Die Traube weit und breit;
Es färbt das Laub sich gelber,
Der Kranich zieht dahin;
Mit zieh' ich, weil ich selber
Ein Wandervogel bin.

Fahr wohl, von Walnußbäumen
Umrauscht mein Sankt Goar!
Das war ein süßes Träumen
In deinem Schoß, fürwahr,
Wie oft im Tal der Grindel
Ward mir die Luft Gesang,
Wenn die kristallne' Spindel
Der Wasserfei erklang!

Fahr wohl, du Lei der Lore
An wilder Strudel Schwall!
Noch tönt in meinem Ohre
Gedämpft dein Klagehall;
Er rief mir tief im Sinne
Die düstre Sage wach
Vom Herzen, das die Minne
Mit ihrer Falschheit brach.

Ihr Türm' und Burgen droben,
Ich grüß' euch tausendmal;
Von euerm Grün umwoben,
Wie schaut' ich gern zu Tal!
Ich sah mit trunknem Geiste
Die Sonne dort verglühn,
Und mein Gedanke kreiste
Wie euer Falk' so kühn.

Fahrt wohl, ihr sonnigen Weiler,
Mein Bacharach so traut,
Wo um Sankt Werners Pfeiler
Voll Glanz der Himmel blaut;
Und Kaub voll rosiger Dirnen,
Und Wesel grün von Wein;
Ich denk' an euern Firnen
Fürwahr noch weit vom Rhein.

Und du, fahr wohl, mein Dichter,
Du Mann so jugendgrün,
Und mag dir immer lichter
Das Herz von Liedern blühn!
Wohl sänge dir Besseres gerne,
Der dieses sang und schrieb:
Doch sei's - und halt auch ferne
Wie hier am Rheint ihn, lieb!