Friedrich Lucä gibt in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts folgenden Bericht über seine Rheinreise

Ansicht der Stadt St. Goar mit dem Krahn und der Burg Rheinfels um 1650 aus: Simon Grimm: Aesopische Fabeln, Augsburg 1657„Nächst Oberwesel fangen im Rheine die gefährlichen Klippen, Wirbel und Strudel an, darin sehr leicht Schiffe verunglüchen. Als wir nun der schlimmsten Stelle naheten, wo der Rhein mit heftiger Strengigkeit, und mit grausam anzwehenden Wirbeln und Strudeln vermischet, sich in die Enge faßt, und zwischen den zwei beiden Seiten stehenden Klippen durchdringet, ermahnete uns der Schiffer die Gefahr wohl zu bedenken, und herzlich Gott anzurufen, damit er uns begleiten und schützen möchte. Hierauf schickte sich ein Jeder andächtig zu Gott, der uns auch glüchlich durchführte. Gleich darauf erblichten wir St. Goar mit dem festen Bergschloß Rheinfels, darauf Landgraf Ernst zu Hessen residiret. Im Hafen lag eine große Menge mit Wein beladener Schiffe, und die Kaufleute dabei empfingen uns sehr freundlich, und nöthigten uns unter den Krahnen zu treten. Sie fragten uns nun, ob wir schon einmal hierorts gewesen wären, und als wir diese uns verdächtige Frage verneint hatten, zeigten sie uns zwei Halseisen, eines von Metall, das andere von Eisen, und verlangeten, wir möchten uns gutwillig einschließen lassen, indem schon viele Könige und Fürsten darin gestanden hätten. Als nunmehr ich und einer meiner Cameraden diese kurzweilige Strafe erlitten, rief ein Kerl oben vom dem Krahn, ob wir wollten mit Wein oder mit Wasser getaufet sein? Wir merkten den Possen und sagten mit Wein! Man lösete uns sodann ab, und verfuhr mit den Andern ebenso. Diese gaben jedoch gleiche Antwort wie wir. Man führte uns darauf mit großen Solennitäten in's Wirtshaus, und präsentirte uns einen grossen, mit vielen Schilden und Wappen hoher Herren behangenen Pokal voll Wein zum Willkomm sammt einem Buch, darin wir unsere Namen schreiben mußten. Den ausgetrunkenen Wein bezahlten unsere Beutel.“

zitiert nach: Dr. Friedrich Lucä: Der Chronist Friedrich Lucä, Frankfurt 1854

 

Georg Forster (1754 - 1794)Wenig schmeichelhaft über das Mittelrheintal äußert sich Georg Forster 1790 in seinen "Ansichten vom Mittelrhein":

Für die Nacktheit des verengten Rheinufers unterhalb Bingen erhält der Landschaftkenner keine Entschädigung. Die Hügel zu beiden Seiten haben nicht jene stolze, imposante Höhe, die den Beobachter mit einem mächtigen Eindruck verstummen heißt; ihre Einförmigkeit ermüdet endlich, und wenngleich die Spuren von künstlichem Anbau an ihrem jähen Gehänge zuweilen einen verwegenen Fleiß verraten, so erwecken sie doch immer auch die Vorstellung von kindischer Kleinfügigkeit. Das Gemäuer verfallener Ritterfesten ist eine prachtvolle Verzierung dieser Szene; allein es liegt im Geschmack ihrer Bauart eine gewisse Ähnlichkeit mit den verwitterten Felsspitzen, wobei man den so unentbehrlichen Kontrast der Formen sehr vermißt. Nicht auf dem breiten Rücken eines mit heiligen Eichen oder Buchen umschatteten Berges, am jähen Sturz, der über eine Tiefe voll wallender Saaten und friedlicher Dörfer den Blick bis in die blaue Ferne des hüglichten Horizonts hinweggleiten läßt - nein, im engen Felstal, von höheren Bergrücken umschlossen und, wie ein Schwalbennest, zwischen ein paar schroffen Spitzen klebend, ängstlich, hängt hier so mancher zertrümmerte, verlassene Wohnsitz der adeligen Räuber, die einst das Schrecken des Schiffenden waren. Einige Stellen sind wild genug, um eine finstre Phantasie mit Orkusbildern zu nähren, und selbst die Lage der Städtchen, die eingeengt sind zwischen den senkrechten Wänden des Schiefergebirges und dem Bette des furchtbaren Flusses - furchtbar wird er, wenn er von geschmolzenem Alpenschnee oder von anhaltenden Regengüssen anschwillt -, ist melancholisch und schauderhaft.

In Bacharach und Kaub, wo wir ausstiegen und auf einer bedeckten Galerie längs der ganzen Stadtmauer hin an einer Reihe ärmlicher, verfallener Wohnungen fortwanderten, vermehrten die Untätigkeit und die Armut der Einwohner das Widrige jenes Eindrucks. Wir lächelten, als zu Bacharach ein Invalide sich an unsere Jacht rudern ließ, um auf diese Manier zu betteln; es war aber entweder noch lächerlicher oder, wenn man eben in einer ernsthaften Stimmung ist, empörender, daß zu St. Goar ein Armenvogt, noch ehe wir ausstiegen, mit einer Sparbüchse an das Schiff trat und sie uns hinhielt, wobei er uns benachrichtigte, das Straßenbetteln sei zugunsten der Reisenden von Obrigkeits wegen verboten. Seltsam, daß dieser privilegierte Bettler hier die Vorüberschiffenden, die nicht einmal aussteigen wollen, belästigen darf, damit sie nicht auf den möglichen Fall des Aussteigens beunruhigt werden!

In diesem engeren, öderen Teile des Rheintals herrscht ein auffallender Mangel an Industrie. Der Boden ist den Einwohnern allerdings nicht günstig, da er sie auf den Anbau eines einzigen, noch dazu so ungewissen Produktes, wie der Wein, einschränkt. Aber auch in ergiebigeren Gegenden bleibt der Weinbauer ein ärgerliches Beispiel von Indolenz und daraus entspringender Verderbtheit des moralischen Charakters. Der Weinbau beschäftigt ihn nur wenige Tage im Jahr auf eine anstrengende Art; bei dem Jäten, dem Beschneiden der Reben usw. gewöhnt er sich an den Müßiggang, und innerhalb seiner Wände treibt er selten ein Gewerbe, welches ihm ein sicheres Brot gewähren könnte. Sechs Jahre behilft er sich kümmerlich oder antizipiert den Kaufpreis der endlich zu hoffenden glücklichen Weinlese, die gewöhnlich doch alle sieben oder acht Jahre einmal zu geraten pflegt; und ist nun der Wein endlich trinkbar und in Menge vorhanden, so schwelgt er eine Zeitlang von dem Gewinne, der ihm nach Abzug der erhaltenen Vorschüsse übrigbleibt, und ist im folgenden Jahr ein Bettler wie vorher. Ich weiß, es gibt einen Gesichtspunkt, in welchem man diese Lebensart verhältnismäßig glücklich nennen kann. Wenngleich der Weinbauer nichts erübrigt, so lebt er doch sorglos, in Hoffnung auf das gute Jahr, welches ihm immer wieder aufhilft. Allein, wenn man so räsoniert, bringt man die Herabwürdigung der Sittlichkeit dieses Bauers nicht in Rechnung, die eine unausbleibliche Folge seiner unsichern Subsistenz ist.

Der Landeigentümer zieht freilich einen in die Augen fallenden Gewinn vom Weinbau: denn weil er nicht aus Mangel gezwungen ist, seine Weine frisch von der Kelter zu veräußern, so hat er den Vorteil, daß sich auch das Erzeugnis der schlechtesten Jahre auf dem Fasse in die Länge veredelt und ihm seinen ansehnlichen Gewinn herausbringen hilft. Man rechnet, daß die guten Weinländer sich, ein Jahr ins andre gerechnet, zu sieben bis acht Prozent verinteressieren, des Mißwachses unbeschadet. Es wäre nun noch die Frage übrig, ob dieser Gewinn der Gutsbesitzer den Staat für die hingeopferte Moralität seiner Glieder hinlänglich entschädigen kann?

G. Forster 1790

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